Man kann nicht behaupten, dass es dem HipHop in diesen Tagen besonders schlecht gehe. Die Beatmacher-Szene ist aktiv wie nie und auch die Konzerte sind so gut besucht, wie schon lange nicht mehr. Bloß: Der Mangel an wahren Inhalten scheint dabei immer mehr zur grassierenden Epidemie zu geraten. Der überwiegende Teil des amerikanischen Mainstreams gefällt sich in Selbstbezüglichkeit und berauscht sich am eigenen Erfolg. Oder tut wenigstens so und leiht sich die Limousine für den Videodreh. Textlich dreht sich vieles um das eigene Ego, Bitches und Parties. Der leichtgängige Hedonismus verkauft sich gut und belastet nicht.
Gegen diese übliche HipHop-Routine stemmt sich jedoch beharrlich eine ganze Schar von Rappern, die den Kern des Raps vor allem in der politischen Aussagekraft sehen. Gerade im US-amerikanischen Leftfield-HipHop gibt eine lose, aber vitale Gemeinschaft, die sich als unabhängige kritische Instanz begreift. Auch Company Flow gehörten dazu, die bis zu ihrem Ende im Jahr 2000 neben aufgewecktem Gedankengut und flinken Worten eine fordernde und lautstarke Mixtur ablieferten. Mit einer derart schweren Kost fristeten sie jedoch jeher ein Nischendasein, obwohl ihre Rolle als pulsierendes Kontrastmittel zum sonstigen Geschehen von herausragender Wichtigkeit war.
Einem weißen Hai gleich, dem eine neue Reihe scharfer Zähne nachgewachsen sind, meldet sich seit gut einem Jahrzehnt immer wieder einmal Company-Flow-MC Bigg Jus solo zu Wort. Mit vielen Worten, allein schon der Titeltrack seines neuen Albums umfasst 311. Sein kritischer Blick streift die wichtigen politischen Fragestellungen zwischen Arbeitslosigkeit, Überwachungsstaat und Globalisierung und steht stellvertretend für das derzeit zu erlebende Comeback vieler Indie-Künstler wie Aesop Rock oder EL-P, die einem textlich dysfunktionalen Genre neuen Gehalt einhauchen.
Bigg Jus scheut dabei nicht die Konfrontation und den Blick über die Landesgrenze. Der Song "Machines That Make Civilization Fun“ ist ein geopolitischer Rundumschlag und rechnet mit den außenpolitischen Interventionen der USA ab: Afrika, Afghanistan, Libyen. Alles nur Kalkül zur Sicherung des eigenen Lebensstandards? Die Globalisierung ohne Ethik? Bigg Jus hetzt durch die Themen und begnügt sich über weite Strecken mit Schlagworten und kurzem Anriss. Diese Unschärfe ist durchaus Kalkül und fordert den Hörer zur eigenen Bezugnahme auf. Die Verkürzung entbehrt jedoch nicht der politischen Eindeutigkeit. Es geht hier eindeutig links zu. Bigg Jus lässt die gesellschaftlichen Gegner und die Politik nicht aus den Augen. Während er seine Worte wie ätzende Säure verspritzt, gerät er jedoch nicht in die Falle, sein Album als plumpen Aufruf zur Revolution zu positionieren. Dazu ist er ein zu kluger, scharfer und oftmals zutiefst sarkastischer Beobachter.
In stakkato-artiger Form stemmt er Kontexte auf, liefert neue Bezugsrahmen und überraschende gedankliche Freiräume. Bisweilen sind seine Texte dabei ebenso konkret wie abstrakt, spielen mit Assoziationen und vielerlei Verweisebenen. Zwischen Bio-Chemie, Technologie, Welthandel, Außenpolitik, Comic- und Konsumkultur liegen manchmal nur wenige Sätze. Bigg Jus zielt dabei immer gegen die politische Vorteilsnahme und das Verharren in Strukturen der Unterdrückung, richtet sich gegen Ungleichheit und etablierte Machtstrukturen. Während andere Rapper nach Macht dürsten, beleuchtet er die Schattenseiten wie Überwachung, Missbrauch oder Egozentrik. Die Elite ist sein Feindbild, solidarisiert wird sich hier mit der Masse, die "Shit Sandwitches“ essen muss.
Bigg Jus kämpft mit Worten und Beats. Roh ist der instrumentale Untersatz, der manchmal lediglich ein wenig zu diffus und überladen daherkommt, um mit vielen anderen, eher klanglich progressiv ausgerichteten Produktionen mithalten zu können. Gar oldschool wirkt es, wenn er plötzlich politische Reden sampelt. Ganz offensichtlich ist es hier nicht das Anliegen, einen möglichst zeitgemäßen Klang zu erfinden. Bigg Jus kombiniert lieber dumpfe Elektronik und Blechbläser mit einer jederzeit experimentellen Grundhaltung. Die Tracks verwirren mit Störgeräuschen, dumpf wabernden Beats oder verzerrtem Hall. Aber genau dies bietet dem Inhalt eine akustische Entsprechung, denn weder Themen noch Musik und Technik werden auf diesem Album entschärft. Ihm geht es nicht um einen möglichst poetischen Fluss seiner Stimme, sondern um die größtmögliche Dringlichkeit im Vortrag. Ohne Luft zu holen. Herb und leidenschaftlich prescht er durch die Titel. Seine MC-Stimme klingt atemlos belegt und wenn er rappt, dann wirkt das gehetzt, als ob er unbedingt seine Botschaft unter das Volk bringen muss. Mit dem schnaufenden "Black Roses“ und dem störrischen "Advanced Lightbody Activation” sind ihm dabei herausragende Tracks gelungen, die sowohl für ihn als auch für uns eine Notwendigkeit sind. Sein Rückgrat ist sein Gaspedal.
"Machines That Make Civilization Fun“ gerät so zu einer Lektion in kritischer Grundhaltung und poetischer Rasanz. Es ist ein Multifunktionstool gegen die Apathie und genau deshalb wichtig, auch wenn es den Hörer fordert. Es wirkt eben in Ohr und Hirn beharrlich unbequem. - Auftouren |